18.08.2019: Doktor Schiwago in Tecklenburg

Unsere Challenge hat im letzten Jahr mit Doktor Schiwago in Leipzig angefangen und wir waren beide restlos begeistert, denn das Stück hat uns emotional von der ersten Sekunde an abgeholt. Es war zu keiner Zeit langatmig oder langweilig, die Musik ein Traum und >Jenseits aller Zeiten< oder >Sieh zum Mond< sollten noch lange in unseren Köpfen umherschwirren.

Wir freuten uns dem entsprechend sehr, dass das großartige Musical 2019 in Tecklenburg aufgeführt wird, malten uns in unserer Phantasie schon aus, wie die Umsetzung auf der weitläufigen Bühne mit der großen Menge an Darstellern ausfallen wird und waren uns eigentlich einig, dass es wunderbar nach Tecklenburg passt und grandios werden MUSS.

Die Geschichte spielt vor, während und nach der russischen Oktoberrevolution 1917. Im Mittelpunkt steht der Dichter und Arzt „Jurij Schiwago“, der als Kind zum Vollwaisen wird und von der Familie seiner späteren Ehefrau „Tonia Gromeko“ aufgenommen wird.

Während „Jurij“ und „Tonia“ behütet und wohlhabend aufwachsen, steht es um „Larissa Guichard“ und ihre Mutter nicht besonders gut. Der Anwalt „Viktor Komarowskij“ hat eine Affäre mit „Laras Mutter“ und schreckt auch nicht davor zurück, die mittlerweile junge Frau „Lara“ zu sexuellen Handlungen zu drängen.

„Jurij“ heiratet „Tonia“ und „Lara“ trifft den Revolutionär „Pascha Antipow“ und heiratet diesen.

Zum ersten Mal treffen sich „Lara“ und „Jurij“ auf „Jurijs“ Hochzeit mit „Tonia“, denn plötzlich mischt sich „Lara“ unter die Gäste und versucht „Komarowskij“ zu erschießen. Sie trifft ihn aber nicht und flüchtet. „Jurij“ ist direkt fasziniert von dieser so unangepassten und mutigen Frau und fragt sich >Wer ist sie?<.

Im Krieg wird „Jurij“ als Lazarettarzt an die Front geschickt und auch „Lara“ trifft kurze Zeit später als Krankenschwester, auf der Suche nach ihrem Ehemann „Pascha“, dort ein. Sie kommen sich näher, doch ihre Wege trennen sich nach Ende des Krieges. „Jurij“ geht zu seiner Familie zurück nach Moskau und „Lara“ in ihre Heimat, ein Dorf in der Nähe des Ural.

Auch „Jurij“ und seine Familie fliehen aus Moskau in die Krüger-Villa, die sich am Rand des Dorfes befindet, in dem „Lara“ mittlerweile als Bibliothekarin arbeitet. In der Nähe befinden sich die Partisanen, die die Kontrolle über das Land übernommen haben. Auf Befehl ihres Anführers, „Strelnikov“, entführen sie Jurij, denn es gibt unzählige Kranke und Verletzte im Partisanenlager. Da „Jurij“ Arzt ist, soll er helfen.

Zwischenzeitlich treffen sich „Tonia“ und „Lara“ in der Bibliothek und entdecken Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede. Beide wissen wie viel die jeweils andere für „Jurij“ bedeutet.

Später gelingt es „Jurij“ von den Partisanen zu fliehen und nach langer und beschwerlicher Reise kehrt er in die Krüger-Villa zurück und wird dort von „Lara“ gepflegt. Seine Frau „Tonia“ ist mit dem gemeinsamen Sohn „Sascha“ nach Paris gegangen, da es dort sicherer ist, als in Russland.

Der Anwalt „Komarowskij“ bietet „Jurij“ an, mit ihm und „Lara“ ebenfalls aus dem korrupten Russland zu verschwinden und beide in Sicherheit zu bringen. Mit einer List bringt er „Lara“ dazu, die mittlerweile von „Jurij“ schwanger ist, mit „Komarowskij“ zu gehen. Er selbst bleibt dort.

Zum Schluss taucht „Strelnikov“, der kein geringerer als „Laras“ Ehemann „Pascha Antipov“ ist und zwischenzeitlich zum Tode verurteilt wurde, bei „Jurij“ auf. Die beiden führen „Männergespräche“ und trinken Wodka. „Strelnikov“ erschießt sich daraufhin vor den Augen „Jurijs“.

Die Story endet mit der Beerdigung von „Jurij Andrejewitsch Schiwago“. „Lara“ und ihre Tochter stehen am Grab und lesen eines von „Jurijs“ Gedichten.

Das Bühnenbild war minimalistisch und weiße Birken standen im Vordergrund. Wer die Filmvorlage von 1965 kennt, war nicht überrascht.

Den Mittelpunkt bildete eine Rampe aus Metall, die bei Regen ziemlich rutschig zu sein schien, denn manche Darsteller wären am Anfang des Stücks beinahe auf dem Hosenboden gelandet. So ganz hat sich uns der Sinn der Konstruktion nicht erschlossen, denn die Bühne selbst ist ja eigentlich aussagekräftig genug und durchaus passend für die Story. Wir können uns die Konstruktion nur mit der letzten Szene erklären, die natürlich äußerst wirkungsvoll und dramatisch inszeniert wurde. Damit kam am Ende für uns dann doch noch kurz die erhoffte Stimmung auf, die wir so gern durchgängig gefühlt hätten.

Uns fehlten an gewissen Stellen die Requisiten. So wäscht „Tonia“ zum Beispiel im Garten der Krüger-Villa vermeintlich Wäsche mithilfe eines Waschbretts. Nur fehlen Wäsche, Waschbrett und der imaginäre Wäschekorb. Auch in der Szene mit den Arbeiterfrauen, tanzen die Darstellerinnen durch das Feld mit Handbewegungen, die Sensen und Hacken darstellen sollen. Klar, durch die Bewegungen sieht man schon, was die Darstellerinnen tun und minimalistisch ist ja grundsätzlich nicht schlecht, aber ein bisschen mehr Requisiten hätten an der einen oder anderen Stelle nicht geschadet und das Stück vielleicht ein bisschen echter wirken lassen. An Waffen wurde dann wiederum nicht gespart.

Die Besetzung war, wie man es aus Tecklenburg kennt, wieder mal großartig!

Jan Ammann als „Jurij Schiwago“ hat schon in Leipzig die Rolle geprägt und auch in Tecklenburg hat er mit seinem Schauspiel und Gesang das Publikum in seinen Bann gezogen. Leider kamen für uns die Emotionen nicht so rüber, wie in Leipzig, was vermutlich einfach an der Größe der Bühne lag. In der MuKo Leipzig ist es dagegen ja fast eine Privatvorstellung.

Wietske van Tongeren als „Tonia“ hat uns ebenfalls absolut überzeugt. Die Wandlung von der liebenden jungen Frau aus guten Verhältnissen zu der fürsorglichen Mutter, die in Armut alles für Ihre Familie tut und schlussendlich zur betrogenen Ehefrau, die erhobenen Hauptes stark bleibt, hat uns wunderbar gefallen. Stimmlich und schauspielerisch große Klasse.

Milica Jovanovic als „Lara“ bewies ebenfalls ihre Vielseitigkeit, denn auch sie macht im Stück eine große Wandlung durch. Vom in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen Mädchen zur missbrauchten Jugendlichen über die engagierte Krankenschwester auf der Suche nach ihrem im Krieg verschollenen Ehemann bis zur leidenschaftlichen Geliebten zeigte sie viele Facetten Ihres Könnens und überzeugte auf ganzer Linie.

Im Duett der beiden Frauen >Trotzdem wundert es mich nicht< haben beide ihre Stimmen gezeigt und es war großartig und ein doch sehr emotionaler Moment!

Auch Dominik Hees als „Pawel Pascha Antipov“ und später als „Strelnikov“ überzeugte die Zuschauer durch sein schauspielerisches Talent. Der Umschwung vom revolutionären Studenten, der mit aller Macht den Krieg verhindern will über den verletzten und verbitterten, von „Lara“ verlassenen Ehemann zum Anführer der Partisanen gelingt ihm scheinbar mühelos.

Bernhard Bettermann stand die Rolle des Bösewichts „Viktor Komarowskij“ auch gut. In den Sprechszenen und auch schauspielerisch hat er uns super gefallen, in den Gesangsszenen hat er uns leider nicht überzeugen können.

Etwas verwirrend war auch die Doppelrolle von Kevin Tarte. Im einen Moment steht er als „Tonias Vater“ auf der Bühne und im nächsten Moment ist er als Anführer der Soldaten zu sehen. Anfangs war es nicht ganz einfach herauszufiltern, dass es sich um 2 unterschiedliche Rollen handelt, da das Aussehen ähnlich war und die Stimme von Kevin Tarte ja schon ziemlich prägnant ist. Die Rolle des Soldaten wäre vielleicht mit einem Ensemblemitglied besser besetzt gewesen.

Immer wieder beeindruckt sind wir vom Ensemble in Tecklenburg, das alleine durch die Massen an Darstellerinnen und Darstellern auf der Bühne für Begeisterung und Gänsehautmomente sorgt.

Jennifer Kohl, unter Anderem als „Schwester Olga“ im Lazarett, ist uns ganz besonders aufgefallen. Mit ihrer Konzertina und der russischen Version von >Laras Theme< war sie ganz große Klasse!

Unser Fazit: Wir dachten im Vorfeld, dass dieses Epos super auf die weitläufige Freilichtbühne passen würde, aber im kleinen Theater hat es uns bedeutend besser gefallen.

Vielleicht haben wir, aufgrund unserer Begeisterung in Leipzig, auch die Ansprüche ein bisschen hoch geschraubt und wir wissen, dass wir mit unserer Meinung sicherlich nicht die Meinung aller Fans treffen werden, aber als wir uns nach der Vorstellung auf den Heimweg machten, waren wir leider weniger begeistert bzw. berührt, als noch vor 1 1/2 Jahren.

Es war ein toller Abend mit großartigen Darstellern, aber für uns eben auch nicht viel mehr. Die erwarteten großen Emotionen blieben leider aus.

Viele Grüße!

Eure Judy und eure Ena

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