AM BROADWAY EIN FLOP, IN HAMBURG GANZ GROSSES KINO! CARRIE – DAS MUSICAL
Der Film von Stephen King ist ein absoluter Klassiker und wir behaupten: Fast jeder hat den Film schonmal gesehen oder kennt zumindest die Story. Eine fanatisch religiöse Mutter, eine 17 Jährige, die von der Mutter aufgrund ihrer religiösen Ansichten klein gehalten und von den Mitschülern gedemütigt wird und am Ende alle durch ihre telekinetischen Fähigkeiten umbringt… Blut, Blut und noch mehr Blut… Der perfekte Musical Stoff? Schwer vorstellbar…
Nachdem wir aber beim Mitternachtsball 2017 Ausschnitte aus dem Stück gesehen hatten, hat uns das Carrie Fieber gepackt und es war klar, dass wir das Musical in voller Länge sehen mussten!
WIR WAREN SPRACHLOS, BEGEISTERT, SCHOCKIERT, TIEF BERÜHRT… EINE GEFÜHLSACHTERBAHN DER EXTRAKLASSE!
Es geht nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, um Gemetzel und Blut, die Message des Stücks ist viel viel mehr!
Es geht um Demütigung, Mobbing, die Beweggründe dazu und natürlich auch die Folgen dessen. Es geht um (religiösen) Fanatismus und zeigt auf, wo das Ganze enden kann, wenn man übertreibt.
Wir alle können sehr viel von dem Stück lernen, denn es zeigt alle Perspektiven: Die der Opfer, der Täter, der Helfer und der Untätigen. Das Thema ist breit gefächert übertragbar, es muss nicht um fanatische Religion gehen um ein solches Desaster zu erleben. Gerade durch die Anonymität im Netz, passieren solche Geschichten heutzutage häufiger als man es sich vorstellt. Zudem erkennt man im Stück genau, dass manchmal die Verkettung ungünstiger Umstände dazu führen, dass die Dinge komplett aus dem Ruder laufen.
„Carries“ wahnhaft religiöse Mutter „Margaret White“ hält das Mädchen bewusst unwissend und naiv. „Carrie“ ist weder aufgeklärt, noch darf sie sich kleiden oder ihre Freizeit gestalten wie es ihre Mitschüler tun. Stattdessen wird sie in einen Wandschrank eingesperrt und muss beten. Die häusliche Situation ist sicher sinnbildlich zu interpretieren. Es wird nicht benannt um welche Religion es sich handelt. In diesem Beispiel ist es auf die Spitze getrieben und man kann klar sagen, die Mutter ist Schuld daran, dass „Carrie“ zum Opfer wird!
Aber auch „Margaret White“ ist nicht von Grund auf böse. In einer Szene wird klar, dass sie sich in früheren Zeiten in die Religion geflüchtet hat, da sie von „Carries“ Vater schlecht behandelt wurde. Sie liebt ihre Tochter über alles und möchte sie durch das „klein halten“ im Grunde genommen davor schützen, dass sie von Männern ebenso schlecht behandelt wird wie sie es wurde. Hier wird sehr schön dargestellt, dass es schnell passieren kann, sich in Dinge hineinzusteigern und es immer gefährlich ist, etwas zu fanatisieren! Sei es Religion, Politik oder auch alle anderen Themen. Gleichermaßen gefährlich ist es, alle Menschen über einen Kamm zu scheren.
Als „Carrie“ nach dem Sportunterricht in der Dusche zum ersten Mal ihre Periode bekommt, denkt sie, sie muss sterben. Ihre Mitschülerinnen sehen diesen Vorfall als einen von vielen Momenten, die sich bestens eignen um Carrie fertig zu machen. Sie nutzen ihre Verzweiflung, Angst und Unwissenheit aus und beschimpfen sie drastisch. Die Lehrerin „Miss Gardener“ hilft „Carrie“ in der Situation und greift ein. Sie sorgt dafür dass die Mädchen sich bei ihr entschuldigen müssen. Wir finden es sehr gut, dass über die Rollen der Lehrer gezeigt wird, dass es unglaublich wichtig ist nicht einfach weg zu sehen. Vielleicht macht sie es dadurch am Ende noch schlimmer, aber es kann auch keine Alternative sein, wie „Mister Stephens“ die Augen zu verschließen, untätig zu bleiben und nicht einmal den Namen des Opfers zu kennen.
Eine Mitschülerin, „Susan“, empfindet sehr schnell echte Reue. Sie sieht ein, dass es nicht fair war „Carrie“ derart zu demütigen. Sie möchte es wieder gut machen und sich ehrlich bei „Carrie“ entschuldigen. Durch die jahrelange Drangsalierung kann „Carrie“ die Entschuldigung gar nicht ernst nehmen und vermutet einen neuen Streich. Mit „Susans“ Figur wird sehr schön deutlich gemacht, dass sie über die Konsequenzen ihres Verhaltens nachdenkt und auch überlegt wie sie sich in dieser Situation fühlen würde. Eine ganz wichtige Rolle, die übertragen auf das reale Leben so viel wichtiger ist, als „cool zu sein“.
Im Fall von „Carrie“ hat die Geschichte leider kein Happy End, auch wenn man es kurz vermuten könnte. Durch die Rache ihrer Mitschülerin „Chris“, die aufgrund ihrer Angriffe auf „Carrie“ und ihre Unfähigkeit über ihren Schatten zu springen und sich zu entschuldigen, vom Abschlussball ausgeschlossen wurde, wird „Carrie“ erneut gedemütigt und vor der ganzen Schule blamiert. An dieser Stelle hat sie genug ertragen und beendet den Abschlussball in dem sie ihre Peiniger mit ihren telekinetischen Fähigkeiten ermordet. Wir interpretieren die Situation eher als Ausbruch aus ihrem Opferdasein und Widerstand gegen diejenigen, die sie so oft zutiefst verletzt haben. Es ist dramatisch, dass es so weit kommen muss und in diesem Fall, sicher überspitzt, in einem Massaker endet. Natürlich gibt es auch dafür reale Beispiele und umso wichtiger ist es, dass man gemeinsam dafür kämpft, dass es nicht so weit kommt.
Die Rolle von „Chris“ übernimmt mit ihrem Freund ganz klar die Anführung der Täter. Sie ist immer ganz vorne dabei, wenn es darum geht „Carrie“ fertig zu machen. Sie schreckt vor nichts zurück, egal wie schlimm es für „Carrie“ wird, Hauptsache sie kann ihr Gesicht wahren. In einer kleinen Szene wird klar, dass sie das nur tut, um niemals selbst zum Opfer werden zu können. Sie hat Angst, dass man ihren weichen Kern erkennen könnte und mimt deshalb die Harte. Frei nach dem Motto: „Tritt zu, bevor du getreten wirst!“ Wir finden es großartig, dass auch dieser Part beleuchtet wurde. Niemand ist von Grund auf böse, und doch sind die Ängste und Unsicherheiten, die „Chris“ so haben werden lassen, natürlich keine Entschuldigung für ihr Verhalten.
Ihr seht, die Botschaft des Stücks ist so viel mehr als man an dieser Stelle kurz zusammen fassen könnte. Das Thema Mobbing ist aktuell präsenter denn je und wir könnten noch so viel dazu sagen, dennoch geht es hier ja um das Musical Carrie und das wurde wahnsinnig gut umgesetzt.
Die Kulisse ist wirklich großartig! Für eine solch kleine Produktion, wurde extrem viel auf die Beine gestellt. Das Bühnenbild hat viele Überraschungen in Petto, die wir natürlich nicht alle verraten wollen. Aber es gibt Explosionen, tolle Lichteffekte und natürlich das eine oder andere vermeintlich Übersinnliche. Die gesamte Produktion zeigt hier eine ganz große Leistung und muss sich nicht im Ansatz hinter größeren Konkurrenten verstecken.
Das Wichtigste zum Schluss. Ein Stück lebt nur durch und mit seinen Darstellern. Auch hier wurden wir nicht enttäuscht! Natürlich war uns klar, dass Maya Hakvoort eine brillante Stimme hat. Wie sehr sie ihrer Rolle aber Tiefe und Ausstrahlung verliehen hat, war einfach nur gigantisch.
Die Absolventen der Stage School Hamburg zeigten ihr Können ebenso präsent.
Besonders Lorena Dehmelt in ihrer Rolle der „Carrie“ gab sich das eine oder andere Gänsehaut Duett mit Maya und konnte uns absolut überzeugen.
Auch Larissa Pyne hat die Rolle der „Sue“ großartig verkörpert, man nahm ihr die Verzweiflung und Reue in jeder Minute ab.
Alexandra Nikolina passte mit ihrer teils rauchigen Stimme ebenfalls perfekt in die Rolle der bösen „Chris“.
Leider bietet das Stück nicht für alle Schüler eine Solo-Rolle, dennoch wirkten die Schüler sehr professionell und es gab auch stimmlich noch so manche Überraschungen.
Unser Fazit: Insgesamt hat uns das Stück wirklich sehr nachdenklich und tief berührt entlassen. Man geht mit einem Gefühl der Betroffenheit, ein Stück weit Sprachlosigkeit und hat dennoch ein grandioses Musical gesehen!
Wenn wir könnten, würden wir es uns ganz sicher direkt nochmal ansehen und können allen nur raten: Schaut es euch an! Bis zum 15.07.2019, sowie bei den Zusatzvorstellungen vom 22. bis 31.08.2018 habt ihr noch diese vermutlich für lange Zeit einmalige Gelegenheit.
Tickets bekommt ihr hier!
Viele Grüße!
Eure Judy und eure Ena