24.01.2020: Wenn Rosenblätter fallen in Datteln

Warum geht man ganz bewusst ins Kino mit der Aussicht einen traurigen Film zu sehen? Warum erreicht Musical-Theater dieses Publikum nicht in so ausreichender Form wie es dem Stück gebühren würde? Alle Zuschauer sind nach dem Stück bewegt, begeistert oder beeindruckt, leider wird das tolle Stück und das Theater von vielen übersehen, warum? Das alles haben wir uns nach unserem Besuch im KATiELLi Theater in Datteln gefragt! Vielleicht finden wir heute einige Antworten und vielleicht auch den einen oder anderen neuen Zuschauer.

Handlung

Der 19 jährige „Till“ lernt im Kunst-Studium die gleichaltrige „Iris“ kennen. Die beiden kommen sich rasch näher. Doch „Till“ bemerkt immer mehr Ähnlichkeiten zwischen „Iris“ und seiner kürzlich verstorbenen Mutter „Rose“, was der jungen Liebe doch sehr im Weg steht.

Die Alleinerziehende „Rose“ und „Till“ hatten eine sehr enge Bindung und „Rose“ wollte immer nur das Beste für ihren Sohn. So hat sie ihm auch sehr lange verschwiegen, dass sie einen bösartigen Gehirntumor hat. Irgendwann kann sie es nicht mehr verheimlichen und „Till“ begleitet seine Mutter auf dem schweren Weg der Krankheit bis hin zu einer schwerwiegenden Entscheidung.

„Rose“ bittet ihren Sohn nämlich irgendwann ihr beim Sterben zu helfen, was er mit vielen Wendungen am Ende auch tut. Dieses Trauma bricht, durch die junge „Iris“ ausgelöst, erst im Studium wieder auf. Sie hilft ihm ganz unbewusst sich mit der Situation auseinanderzusetzen und zum Glück kann er sich ihr irgendwann auch anvertrauen.

Bühnenbild/ Musik

Das Bühnenbild ist eigentlich sehr einfach und benötigt auch keine Umbauten. Es wird eine kleine Wohnung gezeigt, die zum einen die Wohnung von Mutter und Sohn darstellt und zum anderen „Tills“ Studentenwohnung ist.

An zwei Seiten und im Hintergrund befinden sich große Kreidetafeln, die eine zentrale Bedeutung haben. „Rose“ hat vor ihrem Tod Briefe für ihren Sohn geschrieben. Während „Till“ diese liest, schreibt „Rose“ Stichpunkte an diese Tafeln. Ein starkes Mittel um wichtigen Punkten noch mehr Ausdruck zu verleihen. 

Eigentlich ist es viel zu komplex um dieses Stück so klar zu gliedern und auch nicht alles vorweg zu nehmen. Aber wir können ganz klar sagen, dass wir das wirklich einfache Bühnenbild absolut passend und gelungen finden. Es ist viel wichtiger, was passiert und wie die Darsteller diese Thematik behandeln, als optisch viel los sein zu lassen. 

Die Musik kam nicht vom Band, sondern war live und das „Orchester“ bestand aus Mario Stork am Klavier und Chea Mertins am Cello. Auf den ersten Blick klingen zwei Musiker vielleicht ein bisschen nach Einsparpolitik, das war es aber überhaupt nicht! Es hat an keiner Stelle mehr Musiker gebraucht! Mit Klavier und Cello wurden die Stimmungen zu den Songs und Situationen absolut passend rübergebracht, ohne die Darsteller auf der Bühne zu übertönen.

Kostüme

Das coole an den Kostümen war, dass es scheinbar keine Kostüme gab, denn die drei Darsteller stehen in Alltagskleidung auf der Bühne. „Till“ spielt das komplette Stück über in Jeans und T-Shirt, trägt lediglich zwischendurch mal eine Kapuzenjacke. „Rose“ ist grundsätzlich in weiter Hose und weißem Tanktop zu sehen und Iris trägt ebenfalls Latzhose und Shirt oder Pulli. Das einzige, was uns aufgefallen ist, ist dass Iris immer ein gelbes Teil, passend zu ihrem sonnigen Gemüt trägt.

Das Ganze macht die Show nur noch realistischer und man fühlt sich noch mehr in der Story gefangen. Es bedarf keinen klassischen „Show-Glitzer“ oder viele Kostümwechsel.

Darsteller

Stefanie Kirsten als „Rose“ verkörpert diesen unglaublich schweren Weg der körperlichen Erkrankung und den damit einhergehenden körperlichen Verfall wahnsinnig authentisch. Ebenso den Gewissenskonflikt und die psychische Belastung spielt Stefanie mehr als glaubhaft. In ihrer ausweglosen Situation bringt sie dennoch so viel Lebensmut und Lebensfreude rüber und wirkt, zumindest in Anwesenheit ihres Sohnes, selten verzweifelt. Schauspielerisch ganz großes Kino!

Florian Albers als „Till“ nimmt man die Überforderung und Hilflosigkeit total ab. Sein Weg ist nicht leicht und es ist schön zu sehen wie er sich im Laufe der Zeit damit auseinandersetzt und an der Situation wächst. Es gelingt Florian total den gerade mal 17 jährigen „Till“ zu mimen, der mit großer Naivität und Unbedarftheit in eine Situation gerät, die man keinem jungen (oder auch älteren) Menschen wünscht!

Tamara Peters als „Iris“ überzeugt auf ganzer Linie mit ihrer fröhlichen Ausstrahlung und wunderschönen Stimme! Sie bringt die Unbeschwertheit und Lebensfreude absolut glaubhaft auf die kleine Bühne. Sie ist aber auch Sinnbild dafür, dass es im Leben weitergeht und dass man sich an Erlebte schwere Situationen ran wagen muss um diese zu verarbeiten. Das gelingt Tamara so schön, denn eigentlich weiß sie ja von all dem Drama gar nichts. 

Fazit

Virena: Das Thema Sterbehilfe ist natürlich, auch aufgrund der gesetzlichen Regelungen in Deutschland, ein schwieriges Thema. Aktive Sterbehilfe ist verboten, passive Sterbehilfe dagegen erlaubt. Wo ist eigentlich genau der Unterschied und wer möchte schon die Verantwortung für den Tot eines (geliebten) Menschen übernehmen? Gibt man sich selbst nicht ein Leben lang die Schuld, auch wenn die Entscheidung von der kranken Person selbst getroffen wurde?

Um ehrlich zu sein habe ich mich im Vorfeld gefragt, wie man das Thema unheilbare Krankheit und Sterbehilfe angemessen als Musical auf die Bühne bringen kann und warum macht man aus diesen Themen überhaupt ein Musical? Sollte Musical nicht einfach Spaß machen?

Meine Antwort ganz klar: Natürlich sollte so ein Thema auch aufgegriffen werden und ja, Wenn Rosenblätter fallen macht Spaß!

Das Team vom KATiELLi hat auf jeden Fall ganze Arbeit geleistet und ist dem Thema mit dem nötigen Respekt begegnet, ohne zu sehr in Traurigkeit und Melancholie abzudriften. Die Flashbacks zu den Situationen zwischen „Till“ und seiner Mutter „Rose“ waren zum Teil sehr emotional, aber bevor man zu sehr in der Trauer und Ausweglosigkeit gefangen ist, wurde die Stimmung durch einen Szenenwechsel wieder aufgehellt.

Eine ganz großartige und auch in meinen Augen sehr wichtige Idee des Theaters ist es, dass nach der Show ein Gespräch zwischen Theaterleiter und Regisseur Bernd Julius Arends, den Darstellern, den Musikern und dem Publikum stattfindet. Hier wird ein wenig über den Entstehungsprozess des Musicals erklärt und jeder Zuschauer kann seine Eindrücke schildern. So bekommt das Team direktes Feedback vom Publikum und die eine oder andere Frage kann direkt geklärt werden. Hier wurde allerdings auch sehr deutlich, was ich absolut interessant finde, dass das Publikum ganz viele verschiedene Meinungen und Eindrücke von dem Musical hatte.

Ich fand den Abend auf jeden Fall sehr gelungen und auch wenn ich im Vorfeld ein wenig skeptisch war, bin ich mit einem richtig guten Gefühl nach Hause gefahren.

Judith: Ich kann mich Virena nur anschließen, es ist ein Musical in dem gelacht wird und geweint werden darf. Jeder wird durch persönliche Erfahrungen ganz anders angesprochen und es ist Raum für alles, was man fühlen möchte. Besonders die reflektierende Runde am Ende finde ich sehr wertvoll. Man geht nicht einfach nach Hause und muss mit seinen Eindrücken alleine fertig werden. Gerade durch den Austausch, sind mir noch völlig andere Möglichkeiten aufgegangen, einige Szenen zu interpretieren.

Ich finde es toll, dass es dem Team wichtig ist, dass sie die Story mit viel Respekt behandeln. „Till“ gerät da in eine Lage die alles andere als einfach ist. Er ist minderjährig und zudem noch emotional völlig überfordert. Dazu kommt, dass Mutter und Sohn ganz alleine in der Welt dastehen und niemand sie auf ihrem Weg unterstützen kann. Gerade hier finde ich super, dass eingebaut wurde, dass „Till“ sich Hilfe suchen soll. Seine Mutter möchte, dass er zu einem Psychologen geht, was ich auch als dringend nötig empfinde in dieser Situation. Der Tod alleine lässt uns schon hilflos zurück, wie muss es dann für ein Kind sein, wenn so ein langer Weg und DIESE Entscheidung dazu kommen. Leider ist das Thema immer noch oft stigmatisiert und gerade deshalb so wichtig angesprochen zu werden.

Die Rolle von „Iris“ ist ein so wichtiger Aspekt im Stück. Wenn sie nicht wäre, weiß man nicht ob und wann „Till“ sich mit dem Erlebten auseinander gesetzt hätte. Sie bringt die nötige Unbeschwertheit mit, um locker aber auch verständnisvoll für ihn da zu sein.

Das Thema der Sterbehilfe haben wir beide danach auch lange besprochen und für uns die Situation hin und her gedreht. Tatsächlich finde ich es total schwer hier ein Urteil zu fällen. Wer initiiert nun was und ist es aktive oder passive Sterbehilfe und wenn ja durch welchen Satz oder welche Handlung bedingt. Fakt ist eins, ich wünsche niemandem in diese Situation zu geraten, das mit sich ausmachen zu müssen, und da ist es ganz gleich, welche der beiden Rollen man nimmt. 

Ganz am Ende kann man sagen, es ist wichtig sowas auf die Bühne zu holen und darüber zu reden. Vermutlich betrifft es viele Menschen mehr als wir denken und es kann so vielen auch ein Trost oder Hilfe zur Verarbeitung sein. Wir finden die Idee ganz toll, dieses Stück auch mit Oberstufenschülern zu bearbeiten und drücken euch alle Daumen für die Umsetzung!

Somit ganz klar: Bitte mehr davon, liebes KATiELLi Team!

Viele Grüße!

Eure Judith und eure Virena

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