Der Mensch versucht zu allen Zeiten, Werke zu erschaffen, die so kolossal wie möglich sind…
Am 22.11.2019 hatten wir das Glück und durften eine der bis auf den letzten Platz ausverkauften Vorstellungen von Titanic – Das Musical in Münster sehen und jetzt können wir absolut nachvollziehen warum es keine Chance mehr auf Tickets gibt. Das Freie Musical Ensemble Münster E.V. hat ein tolles Musical grandios auf die Bühne gebracht!
Die Handlung erzählt im Hauptstrang natürlich die Geschichte der Reise von England nach Amerika, die 1912 in einer großen Katastrophe endete und viele Menschenleben gekostet hat.
Schon bei der Einschiffung im Hafen von Southhampton werden einige Passagiere der unterschiedlichen Klassen vorgestellt, dessen Geschichten man während der Überfahrt nach New York kennenlernt.
So haben der Inhaber eines Eisenwarenladens und seine Ehefrau eine Kabine in der 2. Klasse gebucht. „Alice Beane“ würde gerne zu den oberen Zehntausend gehören und weiß alles über die Millionäre der 1. Klasse. Ihr Ehemann kann ihr den Luxus aber nicht bieten.
Oder den Heizer „Frederick Barrett“, der seine große Liebe „Darlene“ in der Heimat zurückgelassen hat und ihr über den Funker eine Liebeserklärung und einen Heiratsantrag macht.
Wir lernen auch „Kate McGowan“ kennen, die als Passagierin der 3. Klasse ihre Hoffnungen auf ein neues, besseres Leben zum Ausdruck bringt, ihre Liebe findet und zudem ein kleines Geheimnis in ihrem Bauch mit sich trägt.
Und natürlich sehen wir auch die berühmten Geschichten des aufstrebenden Schiffsarchitekten „Thomas Andrews“, sowie des katastrophal ehrgeizigen Eigners der White Star Line „J. Bruce Ismay“ und des eigentlich schon pensionierten Kapitäns „Edward J. Smith“.
Das Bühnenbild stellte die Brücke, die Kabinentüren der ersten und zweiten Klasse und das unterste Deck der Titanic dar. Mit wenigen Handgriffen erschienen der Heizraum, das Restaurant oder der Funkraum. Alles sehr detailgetreu und imposant. Selbst auf den Kopfhörern des Funkers war der Name der Reederei eingraviert.
Auch die einzelnen Szenen wurden mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. So sah man in der 3. Klasse nur die genieteten Metallwände, in der ersten Klasse jedoch prunkvoll verkleidete Wände. Die Dinner-Szene der 1. Klasse war auch sehr liebevoll ausgearbeitet. Jedes Gedeck besteht aus unzähligen Einzelteilen und die Gläser wurden sogar realistisch mit Flüssigkeit befüllt.
Das Lichtdesign muss man auch ganz besonders loben! So wurde die Silhouette des Maats auf dem Ausguck, der übrigens am Balkon im Publikumsraum seinen Platz bezog, als Schatten an die Wand direkt neben der Bühne projiziert. Speziell die dramatischeren Szenen im zweiten Akt waren sehr eindrucksvoll inszeniert. So hatte man tatsächlich das Gefühl, dass die Titanic in Schräglage ist, wackelt oder gar sinkt.
Die Kostüme waren alle der Zeit der Ereignisse nachempfunden und man konnte auf den ersten Blick erkennen in welcher Klasse die Passagiere eingruppiert waren.
Auch hier war die Liebe zum Detail absolut sichtbar. Man erkannte sofort wie viel Arbeit und Mühe in den Kostümen steckte. Alleine darin, derart viele Rettungswesten anzufertigen, erkennt man wie viel Herzblut in die Produktion gelegt wurde.
Die Darsteller waren allesamt großartig!
Besonders ins Auge (und Ohr) gestochen sind uns Melvin Schulz-Menningmann als Heizer „Frederick William Barrett“, der das eine oder andere Mal für ordentlich Gänsehaut gesorgt hat, sowie Sarah Hattmann als „Alice Beane“, die als 2.Klasse Passagierin so gerne zur Oberschicht gehört hätte. Ihre Stimmen hatten eine unglaubliche Wärme und so viel Gefühl! Die Sehnsucht nach Fredericks Darleen konnte man förmlich spüren und Alice’s Drang nach einer besseren Zukunft zeigte sie mit jedem Ton. Großes Kino!
Man muss dazu sowohl lobend als auch absolut begeistert erwähnen, dass diese Inszenierung ganze 81 Darsteller vorsieht. Das Freie Musical-Ensemble Münster E.V. sieht sich als Chor-Ensemble und spielt demnach immer Stücke in denen alle Mitglieder, von Jung bis Alt, eine Rolle haben. Demnach ist es schwer jeden einzelnen hervorzuheben, denn insgesamt waren alle toll. Die Ensemble-Szenen stehen denen der Solisten in absolut nichts nach! Die „3. Klasse“ bringt einen Tanzabend auf die Bühne, der an Choreografie, Spielfreude und Steppkunst nur schwer zu übertreffen ist! Wir waren einfach begeistert!
Das Orchester hat uns schon bei der Ouvertüre umgehauen! Selbst bei großen, professionellen Produktionen sind die Musiker mittlerweile leider auf ein Mindestmaß reduziert, was wir abgrundtief bedauerlich finden! Denn allein die Töne eines so großen Orchesters transportieren so viel Stimmung und Gefühle an das Publikum! Das Freie Ensemble Münster E.V. geht da mit wunderbarem Beispiel voran, davon kann sich so manche Produktion eine ordentliche Scheibe abschneiden! Unter der Gesamtleitung von Ingo Budweg spielen ganze 63 Musiker in diesem grandiosen Orchester!
Wir waren begeistert vom Pausen-Gong, der von den Blechbläsern in den Fluren des Gebäudes der Waldorfschule gespielt wurde!
Unser Fazit: Wir ärgern uns wahnsinnig, dass wir das Freie Musical Ensemble Münster E.V. nicht schon viel eher auf dem Schirm hatten! So haben wir leider tolle Produktionen wie z.B. Scrooge verpasst.
Aber zukünftig werden wir nichts mehr verpassen und können nur jedem ans Herz legen: Überzeugt euch selbst, schaut über den Tellerrand hinaus und habt auch semiprofessionelle und Amateur-Ensembles auf dem Schirm, es lohnt sich wirklich!
Viele Grüße!
Eure Judy und eure Ena