Am 09.02.2019 machten wir uns also sehr früh mit dem Zug auf den Weg nach Stuttgart, um eine der letzten Chancen zu nutzen, uns dieses großartige Musical anzusehen.
Aus dem Ruhrgebiet mit dem Zug nach Stuttgart zu kommen ist absolut kein Problem, vorausgesetzt natürlich der Zug fährt pünktlich. Vom Hauptbahnhof Stuttgart zum SI-Centrum sind es nochmal ca. 30 Minuten mit der U-Bahn. Grundsätzlich auch kein Problem, wenn man genug Zeit hat.
Um 10:30 Uhr machten wir eine unglaublich interessante Backstageführung, unseren Bericht dazu findet ihr hier.
Nach der Backstageführung haben wir im SI-Centrum noch etwas gegessen und sind dann zum Stage-Apollo Theater zurück gegangen um die Mittagsvorstellung zu besuchen.
Da es eine der letzten 4 Vorstellungen war, war der Saal beinahe ausverkauft. Das Stage Apollo Theater hat 2 Ränge. Wir saßen in Reihe 20 mittig im Parkett. Unsere Sicht war super, jedoch würden wir bei einer weiteren Chance noch etwas näher ran wollen.
Der Glöckner von Notre Dame spielt im 15. Jahrhundert in Paris bzw. zum Großteil in der Kathedrale von Notre Dame.
Der Domprobst „Claude Frollo“ nimmt seinen missgebildeten Neffen „Quasimodo“ als Baby, nach dem Tod seiner Eltern in der Kathedrale auf und bildet ihn aus. „Quasimodo“ wird zum Glöckner der Kathedrale und fristet ein einsames Dasein im Glockenturm. Er hat keinen Kontakt zur Außenwelt. Seine einzigen „Freunde“ sind , neben „Frollo“, die Glocken und die steinernen Wasserspeier, die in seiner Fantasie mit ihm reden und seine Vetrauten sind.
Am Tag des Narrenfestes nimmt er all seinen Mut zusammen und wagt sich nach draußen. Dort wird er aufgrund seiner Missbildungen zum Narrenkönig gekürt, an den Pranger gestellt und mit Tomaten beworfen.
Einzig und allein die Zigeunerin „Esmeralda“ hat Mitleid mit ihm, vielleicht auch weil sie als Hexe bezeichnet wird und dadurch ebenfalls andersartig ist. Prompt verliebt sich „Quasimodo“ in „Esmeralda“. „Quasimodos“ Ziehvater „Frollo“ verliebt sich ebenfalls in sie. „Esmeralda“ erwidert seine Liebe allerdings nicht, denn sie hat längst ihr Herz an den Hauptmann „Phoebus“ verloren.
„Quasimodo“ und „Esmeralda“ freunden sich an und er zeigt ihr seine Welt über den Dächern von Paris.
„Esmeralda“ lehnt die Avancen von „Frollo“ ab. Dieser sieht die Ablehnung und die Liebe zwischen ihr und „Phoebus“ als Verrat gegen ihn und den Staat und will beide verhaften lassen. „Phoebus“ wird verletzt und „Esmeralda“ bringt ihn zu „Quasimodo“ in den Glockenturm, da er dort in Sicherheit zu sein scheint.
„Esmeralda“ kann zu den Zigeunern fliehen und gibt „Quasimodo“ vorher eine Kette mit dem Hinweis, dass er sie damit finden kann und „Phoebus“ nach seiner Genesung zu ihr kommen soll.
„Quasimodo“ findet zusammen mit „Phoebus“ einen Weg zu „Esmeralda“. Durch einen hinterhältigen Trick von „Frollo“ findet er aber ebenso das Versteck und lässt „Esmeralda“ und „Phoebus“ verhaften.
Er macht „Esmeralda“ im Gefängnis das Angebot, sich ihm doch noch hinzugeben. Als diese ablehnt, soll sie am nächsten Tag auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.
„Quasimodo“ rettet „Esmeralda“ vor dem Feuertod, diese stirbt jedoch kurze Zeit später an ihren Verletzungen in seinen Armen.
Daraufhin nimmt „Quasimodo“ Rache, gießt brennendes Blei über seinen Balkon und stößt „Frollo“ über die Balustrade der Kathedrale.
Dadurch befreit er sich aus der Rolle des Opfers und den Mauern Notre Dames.
Das Stück ist insgesamt sehr dunkel inszeniert, wobei es schon die hellste Produktion ist, im Vergleich zu München und Berlin. Interessant ist, dass die Darsteller immer wieder aus ihren Rollen heraus treten und quasi als Erzähler die Geschichte fortführen.
Das Bühnenbild ist sehr mächtig. Es besteht aus 4 hölzernen Bühnentürmen. In den hinteren beiden sitzt während der gesamten Vorstellung der 24 köpfige Opernchor, der jede Show live begleitet. Dieser Chor hat bei uns für einige Gänsehaut-Momente gesorgt.
Die beiden vorderen Bühnentürme sind variabel in ihrer Funktion. Aber egal, ob man sich szenisch im Glockenturm, bei den Zigeunern, auf dem Marktplatz oder unten in der Kathedrale befindet, sie bleiben immer an ihrem Platz. Dadurch verändert sich das Bühnenbild nur relativ wenig. Es gibt einige Geländerteile, die sehr vielseitig verwendet werden. Sie dienen mal tatsächlich als Geländer und mal z.B. als Gefängnistüren.
Beim Narrenfest werden bunte Fahnen und Dekorationen von der Decke herab gelassen. Dies ist die bunteste und hellste Szene im gesamten Stück. Hier gibt es auch die sogenannte Gypsy Bühne, auf der „Esmeralda“ tanzt. Eine Szene in der durch Pyro Effekte die Illusion von Magie entsteht. Aber auch eine Illusion eines Zeitlupen-Moments wird hier erschaffen. Wir waren begeistert von der Umsetzung.
In der Szene, in der „Quasimodo“ „Esmeralda“ in ihrem Versteck bei den Zigeunern findet, wird durch eine, aus dem Boden emporgezogene Flickendekoration, das Heim der Zigeuner gezeigt. Dies ist wieder sehr gut getroffen und man hat ein wenig das Gefühl sich in einer Zeltkolonie zu befinden.
Ganz besonders wichtig sind natürlich die Glocken von Notre Dame. Sie hängen im Gebälk des Glockenturms und werden dann herab gelassen, wenn die Szenen eben dort spielen. Sie sehen absolut überwältigend groß und echt aus. Auch wenn die Darsteller die Seile ziehen, um die Glocken in Bewegung zu bringen, hat man das Gefühl in einer echten Kathedrale zu sein. Sehr beeindruckend!
Die Kostüme sind sehr detailverliebt erstellt worden. So ist den Kostümen eine deutliche Zuordnung der Gesellschaftsschichten anzusehen. Die Kleidung der Zigeuner ist leicht rissig, am Saum ausgefranst und dreckig. Die Kleider der Soldaten und von „Frollo“ sind sauber, haben Verzierungen und wirken hochwertig. So entstand durch das Mittelalter übrigens der Ausdruck „Gut betucht“.
„Quasimodos“ Jacke ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Inszenierung. Seine Jacke wird zusammengefaltet wie ein gepucktes Baby auf die Bühne gebracht und „Frollo“ übergeben. „Quasimodo“ kommt später auf die Bühne und bekommt erst dort den Buckel aufgeschnallt, zieht dann seine Jacke an und schminkt sich auf der Bühne seine Entstellung ins Gesicht. Diese wird durch schwarze Mahle dargestellt. So sieht man quasi live, wie er vom Baby zum Erwachsenen wird. Die Schwarzen Male verschwinden ganz am Ende und symbolisieren so seinen „Befreiungsschlag“. Um zu zeigen, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind, schminken sich am Ende dafür alle anderen Darsteller ebenfalls schwarze Striche ins Gesicht.
Das Orchester leistet wahnsinnige Arbeit. Mit ganzen 15 Musikern sorgt es für gewaltige Klänge und zarte Töne.
Die Besetzung bei unserem Besuch war großartig!
Kevin Thiel spielte seine letzte Vorstellung als „Quasimodo“ und legte alles in die Rolle. Aufgrund seiner Derniere war es für ihn und dadurch auch für das Publikum sehr emotional und das eine oder andere Tränchen floss.
Mercedesz Csampai als „Esmeralda“ überzeugte mit ihrer wunderbar klaren Stimme und ließ die Tanzeinlagen ganz leicht und einfach aussehen, obwohl sehr viel Training und Können dahintersteckt.
Als „Frollo“ stand Felix Martin auf der Bühne, der uns mit seiner erhabenen Interpretation der Rolle ebenfalls absolut überzeugte.
Maximilian Mann verkörperte den Hauptmann „Phoebus“ mit einem gewissen Charme und Humor, dass wir ihm seine Rolle sofort abkauften.
Den Zigeuberbaron „Clopin“ spielte Gavin Turnbull, der nicht nur stimmlich, sondern auch durch seine Gewitztheit im Schauspiel überzeugte.
Im Ensemble ist und ganz besonders Kevin Köhler aufgefallen, da er in eigentlich jeder Szene unglaublich präsent auf der Bühne war.
In der Pause zwischen dieser und der Abendvorstellung hatten wir die Chance einige Darsteller zu treffen. Außerdem sammelten nach der Vorstellung einige Darsteller, u.a. Mercedesz im Foyer Spenden für den guten Zweck.
Unser Fazit: Wir sind froh und glücklich, dass wir die Chance genutzt haben dieses großartige Musical zu sehen, bevor es buchstäblich in den Katakomben verschwindet. Bereits die viertletzte Vorstellung war unglaublich emotional. Wir möchten uns gar nicht ausmalen wie viele Tränen bei der Derniere geflossen sind. Der Glöckner von Notre Dame ist ein wunderbares, historisches Stück, welches man unbedingt gesehen haben sollte. Schade, dass die Spielzeit nun erstmal vorbei ist, aber vielleicht wird es ja irgendwann noch einmal auf die Bühne gebracht, dann wären wir auf jeden Fall nochmal dabei!
Außerdem ist die Message des Stücks unglaublich toll und gerade in der heutigen Zeit auch sehr aktuell! Anders zu sein bedeutet nicht schlechter zu sein! Und was bedeutet schon anders? Im Grunde genommen sind wir alle Menschen, ob Mann oder Frau, ob alt oder jung, ob gehandicapt oder nicht, ob schwarz oder weiß, ganz egal welche sexuelle Orientierung, Religion oder Nationalität, die sich die Welt als Zuhause teilen.
Viele Grüße!
Eure Judy und eure Ena